Bericht vom Europ. Jugendtreffen in Genf

Genf-Anzeige "Lust auf etwas anderes""Du weißt nicht, wie Du Neujahr verbringen sollst…
Du hast es satt, jedes Jahr zum Skifahren aufzubrechen oder hast genug von Abenden, die unschön enden? […]
… andere Länder, Sprachen und Kulturen entdecken
… beitragen zu einer solidarischeren Gesellschaft, einer besseren Völkerverständigung, einem zukunftsfähigen Glauben, zu Versöhnung und Frieden auf der Erde…
… Gemeinschaft zwischen den Glaubenden durch gemeinsames Gebet
… eine Zeit der Freude und des Feierns!
[…] Nimm Jugendliche bei Dir auf!! Öffne Deine Wohnung, Dein Zimmer, Deine Tür, Dein Herz…"

So begann eine lustige französischsprachige Anzeige, die die Genfer annimieren sollte, jugendliche Gäste während des 30. Europäischen Jugendtreffens der Gemeinschaft von Taizé bei sich aufzunehmen. Dabei lautete die Vorgabe zur Orientierung wie immer: 2 m² pro Jugendlicher. Sogar mehr als 30 000 Gäste sollen der Einladung nach Genf gefolgt sein. Eine davon war ich.

Zum zweiten Mal bei einem Europäischen Jugendtreffen

Für mich war es nach Mailand 2005/2006 erst die zweite Teilnahme an einem solchen Jugendtreffen. Ich durfte auch diesmal wieder eine wunderbare Zeit erleben, die aber für mich ganz anders war als damals in Mailand. Während ich nämlich vor zwei Jahren in einer Gastfamilie mitleben konnte und wenig Kontakt zur Gastpfarrei hatte, weil ich wegen einer kleinen Aufgabe mehr Zeit auf dem Messegelände verbrachte, kam ich diesmal in einer Gemeinschaftsunterkunft für 60 Leute unter. Dabei handelte es sich um die Räumlichkeiten der ehemaligen Deutschen Gemeinde von Genf, der katholischen Pfarrei Saint Boniface.
Wie schon zwei Jahre zuvor reiste ich auch diesmal bereits zwei Tage vor Beginn des Treffens mit der so genannten "Vorgruppe" an. Ich kann es mir einfach nicht vorstellen, am 28. Dezember direkt in das Getümmel der Massen hineingeworfen zu werden. Da lobe ich mir die zwei "Eingewöhnungstage", die man sozusagen als Vorgruppenhelfer bekommt, während man sich schon entweder dem Chor anschließen oder eine andere Aufgabe während des Treffens übernehmen kann.
Meine Aufgabe war diesmal, in der Gemeinschaftsunterkunft mitzuhelfen. Dort wurden Anja, die dieselbe Aufgabe erhalten hatte, und ich am Stephanstag von zwei sehr freundlichen Damen empfangen, die uns erstmal mit Stollen und Tee bewirteten. Dann durften wir uns die Räume ansehen und begannen mit ersten Vorbereitungen für die Anreise weiterer Gäste: zusätzliche Matten auf dem Marmorboden auslegen, Schilder anfertigen und aufhängen, die den Weg zu den Duschen und Toiletten angaben, uns Putzzeug zeigen und die Küche erklären lassen etc. Zwei Tage später erhielten wir dann noch Unterstützung von Steffi und Theresa. Dann konnten wir zum Mittagsgebet zum Palexpo, dem Messezentrum von Genf zurückfahren, wo in einer kleineren Halle, die später dann als Raum der Stille zur Verfügung stand, die gemeinsamen Gebete der bisher Eingetroffenen stattfanden.
Am Abend und im Laufe des nächsten Tages trafen bereits einige aus dem so genannten "Little Choir" und Instrumentalisten in der Unterkunft ein. Und beim offiziellen Beginn des Jugendtreffens waren wir in Saint Boniface Ungarisch sprechende Slowaken, Ungarn, Polen, Litauer, einige Schweizer und ein paar Deutsche aus meinem Bistum Dresden-Meißen. Über sich hinaus und zusammen wachsen Am Anfang fürchtete ich meine Aufgabe, für eine Gruppenunterkunft mitverantwortlich zu sein, als riesige, schwer zu bewältigende Herausforderung. Außerdem war ich zuerst auch ein bisschen enttäuscht, dass ich auf diese Weise weniger Zeit hatte, mich selbst auf dem Messegelände aufzuhalten oder mir die Stadt Genf anzuschauen. Dafür konnte ich ein unbeschreiblich schönes Gemeinschaftsgefühl mit der Gruppe und den so engagierten und freundlichen Damen aus der Gemeinde Saint Boniface erleben und auch merken, dass man nicht so sehr beschränkt ist in seinen Fähigkeiten wie man vielleicht selbst von sich annimmt, wenn man es nicht mal ausprobiert hat, seine selbst vermuteten Grenzen auszutesten.

Der Tagesablauf

WaldhornMeine Aufgabe war, in der Früh (meist so gegen Sieben) einen riesigen Topf mit Teewasser aufzusetzen, Milch zu kochen und Geschirr für das Frühstück bereitzustellen bzw. Leute dafür zu delegieren und alle zu wecken. Es gab genug Klaviere im Haus, auf denen sich Taizé-Lieder spielen ließen, bis alle wach waren. Später blies dann András aus Ungarn jeden Morgen in sein Waldhorn. Dann war noch vor dem Frühstück eine Morgenandacht, bei der wir sogar eine kleine Musikgruppe bestehend aus zwei Geigen gespielt von Theresa aus Deutschland und Kasia aus Polen, Orgel mit Steffi aus Deutschland, András am Waldhorn und meinereinem an der Gitarre zusammen bekamen. Außerdem sahen Steffi und ich zu, dass sich jeweils am Vorabend Leute zusammen fanden, die die Texte bei der Morgenandacht in ihrer Muttersprache lasen. Bis auf die ersten beiden Tage vor dem Treffen waren alle Andachten und Gruppenarbeiten glücklicherweise fertig vorbereitet im Heft für das Treffen. Für die beiden Morgenandachten vor dem 29.12. setzten sich Dorota und Witek aus Polen mit Evaldas aus Litauen, Karolina aus Ungarn und Sven und Mike aus Deutschland zusammen und bereiteten sie für uns vor.

BesenNach dem Frühstück ging es dann daran, die Putzarbeiten einzuteilen: Geschirr abtrocken, das glücklicherweise aus der Spülmaschine kam, Toiletten und Duschen putzen, Tische abwischen, Müllbeutel wechseln, was eben in einer Gemeinschaftsunterkunft so an Arbeiten anfällt. Das brauchten Anja und ich wie gesagt nur einzuteilen und zu schauen, dass auch wirklich alles erledigt wurde. Musiker sind jedoch sehr disziplinierte und hilfsbereite Leute, so dass alle Aufgaben schnell erledigt waren. Nach dem Putzen gab es dann Gruppengespräche zu Themen aus dem aktuellen Brief von Frère Alois, "Brief aus Cochabamba". Und gegen Elf Uhr brachen alle zum Mittagessen und weiteren Programm ins Messegelände auf. Dann ging es also ans Türen abschließen.
Auf dem Messegelände fand dann wie gehabt das Nachmittagsprogramm statt mit Mittagessen, Mittagsgebet, Workshops, Abendessen und Abendgebet. Und Abends hieß es dann, die Unterkunft frühzeitig wieder aufzusperren. Dann gab es in der Gemeinde wieder für alle etwas Warmes zu trinken. Das hieß also wieder, den Riesenpott mit Wasser und einen etwas kleineren mit Milch aufzusetzen. Und bevor sich alle gegen Mitternacht auf ihre Matten zurückzogen, musste das Geschirr wieder in die Spülmaschine und danach noch abgetrocknet werden, weil es ja für das Frühstück wieder gebraucht wurde. Türen abschließen, Licht aus, in den Schlafsack kriechen, Handy-Wecker stellen, Durchatmen, Augen zu…

Die wagemutige Gastgemeinde

Besonders drei Damen aus der Gemeinde, die sich seit einem Jahr "ehemalige Deutsche Gemeinde" nennt, weil sie seitdem keinen eigenen Pfarrer mehr hat, waren morgens und abends immer da, um mitzuhelfen und als Ansprechpartner, wenn wir etwas gebraucht haben. Gerade eine von den Dreien, eine über siebzigjährige Dame, hat sich total engagiert und war bei allem begeistert dabei. Zu dritt hatten sie zunächst gegen den Widerstand der anderen Gemeindemitglieder, die hauptsächlich Senioren sind, durchgesetzt, dass für das Jugendtreffen Leute auch in Saint Boniface untergebracht werden dürfen. Die anderen Senioren hatten nämlich zuerst Angst, das wäre zu viel für die Gemeinde, 60 fremd(sprachig)e Jugendliche aufzunehmen. Aber wir konnten uns beim gemeinsamen Kaffeetrinken nach der Sonntagsmesse und der Neujahrsmesse gegenseitig kennenlernen und der Gemeinde zeigen, dass sie ihr Engagement nicht zu bereuen brauchte. Außerdem erwiesen die Gemeindemitglieder uns ihre Gastfreundschaft. Wir feierten gemeinsam Eucharistie, sie halfen uns besonders an Neujahr bei der Vor- und Nachbereitung des Mittagessens und beim großen Aufräumen vor der Abreise. Am ersten Vormittag des Treffens hat uns übrigens sogar der Weihbischof von Genf, Mgr. Pierre Farine, in der Gemeinde besucht.

Thementreffen am Nachmittag

An zwei Workshops habe ich auch teilnehmen können. Einer fand im Kunstmuseum von Genf statt, wo mittelalterliche Rüstungen, Waffen, Schmuck und Gemälde aus dem 15. bis 20. Jahrhundert gezeigt wurden. Der zweite Workshop wurde von Frère Anthony, einem Briten, der mit angenommenem koreanischen Namen An Sonjae heißt, gehalten. Er lebt seit über Dreißig Jahren in Korea, stammt aber ursprünglich aus England. Er hat uns von seinen Erfahrungen erzählt. Der Titel des Workshops lautete "Fremder und Pilger sein" oder so ähnlich. Einige Koreaner waren auch da, die am Schluss gemeinsam "Arirang" gesungen haben, ein berühmtes Volkslied.

Gemeinsame Gebete im Messezentrum

Die Gebete in der Messehalle haben mir auch wieder sehr gefallen. Es ist doch immer wieder erstaunlich, wie schön die sonst nüchtern-funktionalen Hallen durch die Dekoration wirken, die schon das ganze Jahr zuvor in Taizé gestaltet wird. Diesmal konnten wohl zum allerersten Mal alle Teilnehmer gemeinsam in einer einzigen Messehalle beten. In Mailand z. B. waren drei Messehallen notwendig, die dann über Funk einander zugeschaltet wurden, wenn Frère Alois seine Meditationen sprach. Aber diesmal war das nicht nötig. Besonders gefallen haben mir die Gebete, wenn ich es schaffte, einen Platz in der Nähe der Musiker zu ergattern, was gar nicht so einfach war: Wenn man frühzeitig kam, wurde einem von den Ordnern ein Platz zugewiesen, die verständlicherweise dafür sorgen mussten, dass angesichts der großen Masse an Teilnehmern die Halle von vorne nach hinten aufgefüllt wurde. Kam man später, ließen einen die Ordner nicht mehr in bereits besetzte Areale hinein. Aber zweimal ist es mir geglückt… Ein paar Fotos kann man sich auf der Homepage der Gemeinschaft von Taizé ansehen. Auch aus meiner Gruppe haben einige bereits ihre Bilder ins Internet gestellt…

Merci, merci, merci!

Es bleibt wieder, den vielen Jugendlichen und den Brüdern von Taizé mit den Schwestern von Saint André zu danken, die durch monatelange Vorbereitung dieses Jugendtreffen ermöglicht haben; außerdem der Gemeinde Saint Boniface und besonders Lisbeth, Marianne und Silvia, die sich unermüdlich um unsere Gruppe gekümmert haben und so z. B. fast den gesamten Silvesternachmittag in der Küche verbracht haben, um für mehr als 60 Leute das Mittagessen für Neujahr vorzukochen, Jean-Luc, der unsere Unterbringung unterstützt hat, dann den Abbés Gschwend und Link, die mit uns Messen gefeiert haben, Arnand, der uns geduldig unsere Mitarbeit erklärt hat und schmackhaft zu machen wusste, den Genfern, dem Regenbogen-Team und den Busfahrern, die uns so sicher transportiert haben. Vielleicht sieht man sich also nächstes Jahr in Brüssel wieder oder zuvor in Taizé.

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